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Research & Development im Digital Marketing – ein Interview mit Tom Anthony (Distilled)

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Research-and-Development-Teams sind in vielen Branchen seit Jahren etwas völlig Normales. Ohne sie stünden Automobilbauer, Elektronikhersteller und andere große Spieler auf Fachmessen öfter mit leeren Händen da, als es für das Unternehmensergebnis gut wäre. Neue Konzepte wie autonom fahrende Autos und Virtual Reality entstehen unter anderem, weil Teams mit Forscherdrang die Zeit bekommen, ihn auszuleben. Nur so entsteht Neues, mit dem Kunden beeindruckt und Mitbewerber geschockt werden.

Das digitale Marketing – speziell die SEO – macht da eigentlich keine Ausnahme. Auch hier tummeln sich viele Spieler. Einzelkämpfer sowie Agenturen brauchen tieferes Wissen und bessere Werkzeuge, um Kunden aufzufallen und sie mit Leistung zu beeindrucken.
Tom Anthony ist Head of Research & Development bei Distilled, einer der weltweit bekanntesten Online-Marketing-Agenturen. Sein Job ist es, zu wissen, wie die Suche der Zukunft aussieht. Wir haben mit Tom über den Stellenwert von R&D im Digital Marketing, seinen Ansatz bei Distilled und SEO-Split-Testing gesprochen. Außerdem haben wir erfahren, warum Zombies dabei helfen, kreativ zu bleiben.

121WATT: Tom, welchen Stellenwert hat Research & Development deiner Meinung nach im Digital Marketing? Ist es wirklich unersetzlich?

Tom: Absolut. Ich fürchte mich etwas davor, zu sagen, dass jedes Unternehmen einen Head Of Research haben sollte. Ganz einfach, weil ich nicht möchte, dass uns andere einholen.

121WATT: Nicht viele Digital-Marketing-Unternehmen scheinen ein Research-and-Development-Team (R&D) zu haben. Das scheint sich aber zu ändern. Warum?

Tom: Gerade im Bereich Suche und SEO war es bisher immer so, dass eine Menge Unternehmen zwar Dinge gemacht haben, die eigentlich Research sind, aber dafür kein Research-Team eingesetzt haben. Wenn wir mal ein paar Jahre zurückdenken, dann war SEO weitaus mehr auf OnPage- und technische Faktoren fokussiert. Es gab noch keine Search Console. Also musste man Dinge testen, um selbst herauszufinden, was passiert. Viele der Dinge, die in der SEO zu einer Art Regel geworden sind, wurden von SEOs herausgefunden, die Dinge getestet und dann mit anderen geteilt haben.

Mit der Zeit mussten wir uns auf immer mehr Themen konzentrieren. Bei Distilled haben wir mehr und mehr mit Kunden gearbeitet, die eine klare Erwartung von dem hatten, was sie erreichen wollten. Zugleich wurde alles immer stärker reglementiert. Am Ende wurde es so auch immer schwerer, Dinge einfach durch Testen herauszufinden.

121WATT: Warum genau wurde es schwerer?

Tom: Vor sieben oder acht Jahren konntest du sagen: „Hey, ich habe eine Idee. Lass uns das hier mal probieren und sehen, was passiert.“ Heute kannst du das nicht mehr so einfach an einer Website ausprobieren. Kunden mögen das nicht. Sie möchten verstehen, warum. Sie möchten wissen, ob du Erwartungen an das Ergebnis hast und warum du tust, was du tust. Also ist es schwerer, den Kunden mit den alten Methoden des Testings zufriedenzustellen. Genau da, denke ich, entstand eine Lücke. Und die füllen wir mit R&D.

121WATT: Was bedeutet das für Kunden?

Tom: Früher haben unsere Kunden neue Techniken ausprobiert und mussten monatelang auf Ergebnisse warten. Sie folgten also Strategien, die, zu der Zeit, in der sie dann wirklich eingesetzt werden konnten, schon wieder eine ganz schlechte Idee waren. Wie die Linkbuilding-Strategien aus der Vergangenheit, bei denen die Leute wieder viel Geld für Agenturen ausgeben mussten, die hinterher aufgeräumt haben.

Für Agenturen wie uns ist das keine gute Situation, weil wir in der Zeit mehr hätten entwickeln können, das unseren Kunden wirklich geholfen hätte, anstatt nur das Chaos zu beseitigen.

Ein Teil der Funktion des R&D bei Distilled ist zu versuchen, zu prophezeien, wo eine bestimmte Sache unsere Kunden hinführt und wie das in die Strategien passt, über die wir mit ihnen sprechen. Damit die Dinge, die sie planen, ihnen nicht schaden und wir besser wissen, was sie genau jetzt tun sollten. Selbst wenn es im Moment keinen großen Vorteil bedeuten.

121WATT: Euer Job ist es also, in die Zukunft zu schauen?

Stell dir vor, wir wüssten heute, wie Menschen in drei bis vier Jahren suchen, wie SEO dann funktioniert und woran Google dann arbeitet.

Tom Anthony, Distilled

Tom: Die meiste Zeit, ja. Stell dir vor, wir wüssten heute, wie Menschen in drei bis vier Jahren suchen, wie SEO dann funktioniert und woran Google dann arbeitet. Das wäre ein riesiger Vorteil!

Die Sache ist, dass Google wirklich eine Menge Forschungsergebnisse als akademische Arbeiten, in Patentanmeldungen und in ihren Interviews preisgeben. Mit genug Zeit und Mühe ist es durchaus möglich, alle Puzzleteile zusammenzusetzen. Zusammen mit anderen Informationsquellen verstehen wir dann oft, wohin es gehen könnte. Nicht perfekt natürlich. Aber durch die Feststellung der Richtung können wir unseren Kunden helfen, sich besser vorzubereiten.

121WATT: Stellen wir uns mal einen Head Of Research vor. Gibt es – neben Neugier – Eigenschaften, die ihm helfen, seinen Job gut zu machen?

Tom: Das weiß ich nicht, weil ich noch nicht vielen Agenturen begegnet bin, die einen haben. Ich habe versucht, Menschen zu finden, die in dieser Position arbeiten, um zu sehen, wie sie diese Rolle angehen.

Größere Unternehmen haben R&D-Teams, die deutlich breiter aufgestellt sind als im Digital Marketing und in der Suche. Es scheint hier nicht so viele zu geben, die es so machen oder zumindest nicht mit einem eigenen R&D-Team.

Zu Beginn bestand das R&D-Team bei Distilled nur aus mir. Jetzt sind wir vier und das Team wächst. Wir scheinen also auf dem richtigen Weg zu sein. Ich gehe davon aus, dass mehr und mehr Unternehmen damit anfangen werden.

121WATT: Was ist mit dem „Development“ in „Research and Development“?

Ich denke, dass immer mehr dieser Teams, die gute Software und gute Tools entwickeln, dazu gezwungen sein werden, auch mehr Zeit in die Forschung zu investieren.

Tom Anthony, Distilled

Tom: Es gibt Unternehmen, die ihr eigenes Tool-Set und ihre eigene Software entwickeln. Sie verfolgen möglicherweise nicht die Research-Seite oder nennen es zumindest nicht R&D, aber werden diese Seite definitiv entwickeln müssen. Ich denke, dass immer mehr dieser Teams, die gute Software und gute Tools entwickeln, dazu gezwungen sein werden, auch mehr Zeit in die Forschung zu investieren.

121WATT: Wie geht ihr diesen Development-Part bei Distilled an?

Tom: Bei uns arbeiten eine Menge cleverer Consultants. Und wir vertreten die Meinung, dass alles, was automatisiert werden kann, auch automatisiert werden sollte. Deshalb haben wir eine Plattform namens Distilled Ops entwickelt. Sie crawlt Sektionen der Websites unserer Kunden und sucht nach Problemen. Dabei bedient sie sich auch der Daten vieler APIs.

Vor ein paar Jahren noch gab es nicht so viele Tools, die ein SEO-Consultant für seine Arbeit brauchte. Heute brauchen Sie Analytics, Search Console und andere SEO-Plattformen. Es ist also schwer geworden, in diesen ganzen Daten etwas Interessantes zu finden.

Deshalb sammelt unsere Plattform diese ganzen Daten und bietet unseren Consultants einen Ort, in den sie sich einloggen und alle wichtigen Daten sehen können. Sie nutzt statistische Methoden, um Anomalien in diesen Daten zu erkennen. Wenn also einer unserer Kunden Traffic-Probleme hat, weiß der entsprechende Consultant Bescheid und kann sich das ansehen. Das geht herunter bis auf einzelne Teile einer Website, wie zum Beispiel Traffic-Probleme auf einer Kategorieseite. Dann könnte es sein, dass in der Search Console etwas schief läuft. Es kann aber auch sein, dass wir gerade etwas testen und sehen wollen, ob die Zahlen dort landen, wo wir sie vermuten. Wann immer sich also etwas außerhalb der vorhergesagten Range befindet, werden wir es erfahren.

Wenn man erst nach einer Woche erfährt, dass zum Beispiel eine robots.txt eine ganze Webiste blockiert, ist es zu spät.

121WATT: Irgendwelche anderen großen Projekte, von denen du uns erzählen kannst?

Tom: Es gibt da eins, an dem wir gerade arbeiten. Wir haben uns gefragt: „Was begegnet uns, dass wir nicht lösen können? Welche Probleme haben unsere Kunden?“.  Alle unsere Kunden denken, dass es gewisse Dinge gibt, die man nicht lösen kann. Also wird nicht darüber gesprochen.

Wir arbeiten also an dieser Plattform namens DistilledODN, die gerade als Pilot läuft. Es ist eine Testplattform für SEO. Sie arbeitet zwischen Website und Server. So wie ein CDN, zum Beispiel CloudFlare, es tut. So fließt sämtlicher Traffic durch unser System, sodass wir automatisiert Veränderungen daran vornehmen können.

Wenn du also 1.000 aktive Seiten hast und eine SEO-Empfehlung haben möchtest, kannst du automatisch eine OnPage-Veränderung an 500 Seiten starten und sehen, ob diese 500 Seiten dann besser performen. Auch hier können wir bis auf Teile einer Website heruntergehen.

Es ist wirklich spannend zu sehen, wie SEO in der Lage sind, Ideen mit echten Daten zu testen und zu verifizieren. Auf eine Art, die keine Riesenmenge an Ressourcen bindet.

121WATTWie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen deinem Team und euren SEO-Consultants genau? Ist es so, dass Consultants, die eine Idee entwickelt haben, vorher zu euch kommen und sagen „Tom, ich habe da diese Idee, aber ich brauche den Beweis, dass sie funktioniert.“?

Tom: Das ist bei uns ganz verschieden. Einige Consultants kommen zu uns und sagen, dass sie darüber nachdenken, eine bestimmte Strategie zu empfehlen. Dann fragen Sie: „Gibt es irgendetwas, dass Google macht oder woran sie arbeiten, wodurch diese Empfehlung in sechs oder zwölf Monaten ein Fehler wäre?“.

Manchmal ist es auch anders herum. Dann, wenn wir eine neue Technologie oder ein neues Paper von Google finden, denken wir darüber nach, ob die eine oder andere unserer Empfehlungen eine Veränderung oder neue Ideen braucht. Das R&D-Team geht dann zum Consulting-Team und sagt: „Schaut euch diese neue Sache an. Es wäre sicher interessant, mit euren Kunden darüber zu sprechen.“. Manchmal sind es aber auch bestimmte Kunden, für die wir uns eine Lösung als hilfreich vorstellen können.

Die Alternative ist, dass Consultants einem Kunden etwas empfehlen und dass manche Kunden erst davon überzeugt werden müssen, dass diese Empfehlung die richtige ist. Oder sie haben andere Pläne, die sich damit kreuzen. Da können wir als R&D-Team helfen. Und sei es nur, indem wir auf einen Blog-Post verweisen.

Ein weiterer hilfreicher Teil des R&D ist, dass wir eine Menge Zeit damit verbringen können, Sachen bei Google zu lesen. Wären wir Consultants, dann hätten wir keine Zeit dazu.

121WATT: R&D scheint ein Must-Have zu sein. Aber was, wenn sich jemand keine R&D-Abteilung leisten kann?

R&D war immer ein natürlicher Teil der SEO. So hast du Sachen herausgefunden und entdeckt.

Tom Anthony, Distilled

Tom: Selbst wenn Unternehmen kein R&D-Team haben, denke ich, dass R&D-Zeit für die Consultants wichtig ist. Es war immer ein natürlicher Teil der SEO. So hast du Sachen herausgefunden und entdeckt.

Vielleicht ein Tag, alle zwei Wochen, an dem nicht an Kundenprojekten gearbeitet wird, aber an denen Tests gemacht werden, die dann mit anderen im Unternehmen besprochen werden. Oder sie gehen ganz woanders hin, um sich neues Wissen anzulesen.

Das wäre meine Empfehlung an jedes Unternehmen, das bisher kein R&D betrieben hat, in dem man aber mehr darüber nachdenken möchte. Nicht notwendigerweise also ein R&D-Team gründen, da Consultants üblicherweise smarte Leute sind, die Technologien und Trends bereits verstehen. Allerdings haben sie keine Zeit.

Macht die R&D-Zeit zu etwas Wichtigem.

Tom Anthony, Distilled

Macht die R&D-Zeit zu etwas Wichtigem, sodass sie sich die Zeit dafür nehmen können.

121WATT: Was machst du, wenn du nicht weiterkommst? Es soll ja Leute geben, die jedes Mal unter die Dusche springen, wenn ihnen die Ideen ausgehen. Was hält dich kreativ?

Tom: Ich habe nicht genug Zeit, als dass ich es mir leisten könnte, dass mir die Ideen ausgehen. Ich lese eine Menge Sachen, die nicht direkt etwas mit SEO zu tun haben und Suche nach Menschen, denen ich folgen kann und die aus Bereichen stammen, die nichts mit SEO zu tun haben. Manchmal bin ich einfach satt und kann nichts mehr lesen, dass mit SEO oder Digital Marketing zu tun hat.

Weil ich aber Technik so liebe, könnte es sein, dass ich Science-Fiction-Bücher lese, die ich vor 20 Jahren gelesen habe. Sie enthalten interessante Einsichten darüber, wie die Dinge stehen. Einfach darüber nachzudenken ist schon sehr gut.

Außerdem bin ich definitiv ein Fernsehserien-Typ. Ich schaue mit Fernsehserien an, um den aktiven Denkprozess in meinem Kopf zu stoppen. Wenn ich spazieren gehe oder duschen gehe, würde ich immer noch über das letzte Google-Paper nachdenken.

Geh nicht spazieren, nimm keine Dusche, schau The Walking Dead.

Tom Anthony, Distilled

Du musst aufhören, darüber nachzudenken, weil dein Gehirn im Hintergrund arbeitet. Dann schaust du ein paar Folgen Walking Dead und sagst später am Tag: „Oh, Moment! Da gibt es doch diese andere Technik!“.

Das ist also mein Rat: Geh nicht spazieren, nimm keine Dusche, schau The Walking Dead. (lacht)

121WATT: Man hört viel über das Verlassen der eigenen Komfortzone und den dadurch entstehenden, positiven Einfluss auf Ergebnisse. Muss man die Komfortzone verlassen, um gute Research-Ergebnisse zu erzielen?

Tom: Manchmal. Ein Beispiel dafür ist unser DistilledODN, das Suchmaschinenoptimierern Split-Testing ermöglicht. Es hat bisher nur wenige Versuche gegeben, ein Produkt zu schaffen, das SEO-Split-Testing ermöglicht. Aber wir wussten, dass einige große Unternehmen daran arbeiten. Wir entschieden, wie so ein Produkt aussehen würde und plötzlich sagten wir: „Das ist eine gute Idee. Lasst es uns bauen.“. Es war nur eine Theorie, eine Idee und dann, ein paar Monate später, lief es schon auf einigen Websites. Wow!

Das war außerhalb unserer Komfortzone, weil niemand vorher so etwas gemacht hatte. Sicher gab es zwischendurch auch mal panische Momente. Aber es war definitiv richtig, es zu tun. Alles funktioniert und ermöglicht unseren Kunden großartige Möglichkeiten. Man kann damit erstaunliche Dinge tun.

Wären wir innerhalb unserer Komfortzone geblieben, hätten wir es wahrscheinlich nie gemacht. Für uns, die wir die technologische Entwicklung anführen möchten, ist es deshalb sehr wichtig, unsere Komfortzone zu verlassen.

121WATT: Vielen Dank für deine Zeit, Tom.

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