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BGH-Urteile: Ist Influencer Marketing Schleichwerbung?

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Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum BGH-Urteil vom 09. 09. 2021!

Influencer:innen sind aus der deutschen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Großen Influencer:innen folgen oft mehrere Millionen Interessierte. Dabei bleibt eine Einflussnahme der Influencer:innen auf ihre Follower:innen durch Werbung nicht aus. Nutzen doch viele Firmen die Internet-Stars, um ihre Produkte und Dienstleistungen möglichst authentisch und auf subtile Art an die Zielgruppe zu vermarkten. Diese Subtilität kann allerdings zum Problem werden, wenn Werbung nicht als solche gekennzeichnet wird. Denn dann handelt es sich um Schleichwerbung und die ist in Deutschland per Gesetz untersagt. Das Verbot von Schleichwerbung ist im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), im Telemediengesetz (TMG) und im Rundfunkstaatsvertrag formuliert.

Mehr zum Thema „Influencer Marketing: Vorteile und Möglichkeiten“ findest du in unserem Artikel.

Influencer Marketing und die Kennzeichnungspflicht

In den vergangenen Jahren gab es bundesweit regelmäßig Gerichtsverfahren zur Schleichwerbung in sozialen Medien. Sowohl das LG Berlin, das LG München I als auch das OLG Frankfurt am Main fällten Urteile zum Thema. Die Urteile ähnelten sich, waren aber bis dahin Einzelfallentscheidungen.
Allen Rechtsprechungen stellten fest: Influencer:innen handeln kommerziell. Was fehlte, war eine einheitliche Rechtsprechung hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht von Werbung, die damit eine klare Abgrenzung von redaktioneller Arbeit und kommerzieller Werbung schafft.

2021: Das BGH-Urteil zu Influencer Marketing

Inzwischen hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 9.9.2021, gleich mehrere Urteile zum Thema Influencer Marketing gefällt. Der BGH hat mit den Entscheidungen die neue Gesetzeslage der UWG Novelle in Teilen vorweggenommen. Alle Unklarheiten sind aber leider nicht beseitigt. Die Frage, wann der Werbecharakter eines Postings offensichtlich ist, bleibt weiterhin offen.
Konkret ging es dabei um die Fälle der Influencerinnen Cathy Hummels, Leonie Hanne und Luisa-Maxime Huss. Alle drei wurden wegen “unzulässiger Schleichwerbung” vom Verband Sozialer Wettbewerb abgemahnt. Schlussendlich landeten alle drei Fälle vor dem BGH, der nun seine Urteile gesprochen hat.
In der Entscheidung „Influencer I“ (I ZR 90/20) entschied der BGH, dass Luisa-Maxime Huss die Kennzeichnungspflicht verletzt hat, da sie mittels Tap Tag auf das Instagram Profil des Herstellers verlinkte und neben Aussagen zur Erhältlichkeit der Marmelade auch eine Gegenleistung für die Bewerbung erhielt. Ein kommerzieller Zweck, hier die Absatzförderung des Marmeladenherstellers, lag vor, wurde nicht hinreichend kenntlich gemacht und ergab sich auch nicht aus den Umständen.
In den anderen beiden Verfahren (Az. I ZR 125/20 „Influencer II“ und I ZR 126/20) bekamen die Influencerinnen Cathy Hummels und Leonie Hanne Recht. Beide erhielten für ihre Beiträge keine Gegenleistung, sodass keine Werbung im Sinne des TMG und somit keine Kennzeichnungspflicht bestand. Eine übertriebene Werblichkeit der Beiträge lehnte der BGH ebenfalls ab.

Einschätzung zu den BGH-Urteilen

Wir haben den Experten für Online-Marketing-Recht Dr. Martin Schirmbacher nach seiner Einschätzung zum Urteil gefragt. Er erklärt uns die wichtigsten Aspekte und beantwortet die Frage, was das Urteil nun für uns als Werbetreibende bedeutet. 

Ist jetzt jeder Post erfolgreiche Influencer-Werbung?

In der Entscheidung hebt der BGH hervor, dass Postings von Influencer:innen auch Werbung in eigener Sache sein können. Ob eine Kennzeichnungspflicht vorliegt, erschließt sich aus bestimmten Umständen. Cathy Hummels hat knapp 700.000 Abonnent:innen. Hieraus ergibt sich der Eigenwerbezweck. Insofern: Nein, nicht jeder Post ist als Werbung zu kennzeichnen. Posts zu privaten Zwecken sind nach wie vor nicht kennzeichnungspflichtig.
Bei Influencer:innen mit geringerer Reichweite ist die Ermittlung der Kennzeichnungspflicht schwieriger. Hier wird in der Regel eine Einzelfallabwägung erforderlich sein, da es bei diesen Influencer:innen keine einschlägigen Kriterien gibt, die eine Kennzeichnungspflicht bestätigen oder ausräumen würden.

Führt schon ein Tap Tag zur Kennzeichnungspflicht?

Influencer:innen müssen einen Post immer dann als Werbung kennzeichnen, wenn ein kommerzieller Zweck vorliegt. Mit der Neuauflage des UWG wurde der kommerzielle Zweck in § 5a Abs. 4 S. 2 UWG normiert und wird vermutet. Influencer:innen müssen somit das Gegenteil glaubhaft machen, um der Vermutungswirkung zuvorzukommen.
§ 5a Abs. 4 S. 2 UWG besagt, dass ein kommerzieller Zweck nicht vorliegt, sofern der oder die Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt.

Der BGH hatte entschieden, dass eine Kennzeichnungspflicht immer dann gegeben ist, wenn eine Gegenleistung erfolgt. Ohne Gegenleistung ist eine Kennzeichnung nur dann erforderlich, wenn der „Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist“. Das ist der Fall, wenn der Post „ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt.“ Dafür reicht das freiwillige Anbringen von Tap Tags, laut BGH, nicht. Wer allerdings bei dem Instagram-Post zusätzlich Links anbringt, die zur Website des Unternehmens führen, wirbt bereits übertrieben und muss folglich kennzeichnen.

In einer recht aktuellen Entscheidung vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main (Urt. v. 19.05.2022, Az. 6 U 56/21), kommen die Richter:innen zu der Auffassung, dass Verlinkungen zu Unternehmen über das Tap Tag als Werbung zu kennzeichnen sind, wenn Influencer:innen ein kostenloses Produkt erhalten und dieses anpreisen.

In einem weiteren Urteil des BGH (Az. I ZR 35/21 „Influencer III“) entschied der BGH, dass auch die kostenlose Zurverfügungstellung von Waren oder Dienstleistungen durch ein Unternehmen an einen oder eine Influencer:in eine Gegenleistung darstellt und somit kennzeichnungspflichtig ist. Dieser Ansatz ist in der UWG Novelle auch wiederzufinden.

Wenn Influencer:innen für ein Posting, das ich in Auftrag gegeben habe, wegen Schleichwerbung „dran“ ist, trage ich mit meinem Unternehmen dann das Haftungsrisiko?

Neben dem oder der Influencer:in, der bzw. die zunächst selbst verantwortlich für seinen oder ihren Kanal und für die Einhaltung geltenden Rechts ist, kommt auch eine Haftung des werbenden Unternehmens in Betracht. Nach dem UWG haftet auch der oder die Auftraggeber:in. Danach hat der bzw. die Auftraggeber:in die Pflicht, für eine rechtmäßige Werbung zu sorgen. Vor Verstößen darf das werbende Unternehmen die Augen nicht verschließen. Insofern sind gute Verträge und auch eine gewisse Kontrolle wichtig. 

Welche Tipps hast du für Auftraggeber:innen im Influencer Marketing, um sich zu schützen?

Grundsätzlich ist einem Unternehmen zu raten, genau abzuwägen, ob und mit wem es eine Kooperation eingeht. Ferner sollten Influencer:innen gründlich über das geltende Recht aufgeklärt werden, um Missverständnisse zu vermeiden und Wissenslücken zu schließen. Zudem ist zu empfehlen, dass Unternehmen und Influencer:innen einen umfassenden Vertrag schließen. Dieser Vertrag sollte die geltenden Kennzeichnungspflichten (vorzugsweise „Werbung“ oder „Anzeige“), und zu präsentierenden Inhalte festlegen als auch die Pflichten der Influencer:innen und etwaige Leistungen des Unternehmens regeln. Auch sollte der Vertrag Haftungsfragen klären, die bei Nichteinhaltung der Vertragsinhalte durch den Vertragspartner entstehen können.

Fazit zum Influencer Marketing-Urteil des Bundesgerichtshofs

Wie hilfreich dieses Urteil nun ist, darüber lässt sich streiten. Klar ist aber: Sobald Influencer:innen für das Präsentieren eines Produktes oder einer Dienstleistung eine Bezahlung (sachlich oder finanziell) von den Hersteller:innen bekommen, muss dieser oder diese den Post als Werbung kennzeichnen. Falls jedoch der oder die Influencer:in keine Gegenleistung erhält, ist es im Endeffekt immer noch Auslegungssache, ob ein Post als “übertrieben werblich” gilt oder nicht.

🎧 Falls du noch mehr Informationen und Expertenmeinungen zu dem Urteil hören möchtest, legen wir dir den HÄRTING.fm Podcast ans Herz. In Folge 18 spricht die Justiziarin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Stefanie Lefeldt, über die Werbekennzeichnung in sozialen Medien.

Empfehlenswert ist auch das Update zum Influencer Marketing von Fabian Reinholz und Konstantin Berlage.

Solltest du jetzt noch Hilfestellung benötigen, findest du bei den Medienanstalten einen Leitfaden zur Werbekennzeichnung bei Online-Medien.

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