Hast du Fragen?
FAQ
📞 089 416126990

Suche schließen

Interview mit Nico Zorn: Warum E-Mail-Marketing immer noch die Online-Marketing-Geheimwaffe ist

Keine Artikel mehr verpassen? Jetzt Newsletter abonnieren »

Nico, danke, dass du dir die Zeit nimmst. Kannst du unseren Lesern kurz etwas zu dir und deinem E-Mail-Marketing-Hintergrund erzählen?

Gerne! Ich bin Mitgründer und Partner bei der Unternehmensberatung Saphiron Digital Strategy Consultants. Wir beraten seit 2008 Unternehmen bei der strategischen Planung, Gestaltung und Optimierung ihrer Kundenbeziehungen, haben uns also vollständig auf das Thema Kundenbindung fokussiert. Zu unseren Mandanten zählen Unternehmen wie COOP Schweiz, die Deutsche Telekom, EON, Haufe und die Deutsche Post, aber auch zahlreiche Start Ups und KMUs.

Ich bin seit Ende der 90er Jahre in der digitalen Wirtschaft tätig und habe vor der Gründung der Saphiron einen E-Mail-Marketing-Dienstleister mit aufgebaut. Seit 2003 veröffentliche ich den Branchendienst EmailMarketingBlog, außerdem bin ich als Lehrbeauftragter und Speaker unterwegs. Last but not least darf ich für euch bei der 121WATT seit 2014 das E-Mail-Marketing Seminar durchführen.

E-Mail-Marketing

Was sagst du Leuten, die behaupten, dass E-Mail-Marketing doch sowieso nicht funktioniert?

Ich sage ihnen, dass für einen großen Teil unserer Kunden, insbesondere aus dem E-Commerce-Bereich, E-Mail-Marketing das mit Abstand wichtigste Instrument für die Ansprache der bestehenden Kunden ist. Im Gegensatz zu einigen Marketing-Trends und „Social Gimmicks“ bringt ihnen der Kanal plan- und messbaren Umsatz.

E-Mail-Marketing scheint dieser Tage eine Renaissance zu erleben. Hat das deiner Meinung nach eher etwas mit der Wirksamkeit oder eher mit der Angst vor Kontrollverlust zu tun?

Beide Faktoren spielen sicherlich eine Rolle. Zum einen kann ich mit E-Mail-Marketing einen hohen ROI erzielen und das Potenzial der Interessenten und Kunden bestmöglich ausschöpfen. Zum anderen begebe ich mich im E-Mail-Marketing im Unterschied zum Social-Media-Marketing nicht in die Abhängigkeit der Social-Media-Plattformen und ihrer Algorithmen.

Es sind eben nicht meine Fans, sondern die Fans von Mark Zuckerberg.Nico Zorn

Marketing-Verantwortlichen wird mittlerweile klar, dass ihnen die mühsam aufgebaute Reichweite auf den Social Media Plattformen nicht gehört. Es sind eben nicht „meine Fans“, sondern die Fans von Mark Zuckerberg. So kann es passieren, dass ich nach dem nächsten Update des Newsfeed-Algorithmus morgens in das Büro fahre und feststelle, dass ich über Nacht 90% der Reichweite auf Facebook verloren habe.

Übrigens haben wir die gleiche Entwicklung zuvor schon im SEO-Bereich gesehen – auch hier haben sich Unternehmen in eine hohe Abhängigkeit begeben und mussten irgendwann feststellen, dass eine gute Platzierung auf Google kein Naturgesetz ist.

Richtig ungemütlich wird es natürlich dann, wenn Google in mein Geschäftsfeld vordringt und – Überraschung – selber auf die Idee kommt, Produktpreise, Hotelzimmer oder Flugpreise zu vergleichen.

Was kann ich mit E-Mail-Marketing tun, das ich mit anderen Online-Marketing-Kanälen nicht tun kann?

E-Mail-Marketing ermöglicht mir, Werte im Sinne von Reichweite in meinem eigenen Unternehmen aufzubauen und mich ein Stück weit unabhängiger von den Plattformen zu machen. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich Social Media oder gar SEO ignorieren sollte – im Gegenteil: Die intelligente Verknüpfung der Kanäle ist entscheidend. So kann ich beispielsweise Facebook Ads sehr gezielt einsetzen, um qualitativ hochwertige E-Mail-Adressen zu gewinnen.

Kommen Marketing-E-Mails überhaupt noch an? Oder machen clevere Filter das inzwischen unmöglich?

Die einwandfreie Zustellung von E-Mails hat sich in der Tat zu einer eigenständigen Disziplin im E-Mail-Marketing entwickelt, da teilweise auch erwünschte Mailings und Newsletter von Spamfiltern aussortiert werden.

Für die Unternehmen, die E-Mail-Marketing seriös und professionell betreiben, sind diese so genannten „False Positives“ aber in der Regel kein größeres Problem – zumal es letztendlich auch im Interesse der E-Mail-Provider wie GMX, Web.de und Gmail ist, dass Newsletter, die von den Nutzern explizit angefordert wurden, auch ankommen.

Im Rahmen unserer Beratungsmandate nimmt das Thema Deliverability mittlerweile einen hohen Stellenwert ein.Nico Zorn

Das bedeutet aber auch, dass E-Mails an mehrere tausend Kontakte nicht mal eben mit irgendeinem Tool verschickt werden können, sondern ein professionelles Versandsystem zum Einsatz kommen muss.

Im Rahmen unserer Beratungsmandate nimmt das Thema Deliverability mittlerweile einen hohen Stellenwert ein.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die so genannte Listenhygiene. Beispielsweise muss sichergestellt werden, dass ausschließlich Personen beschickt werden, die sich auch explizit angemeldet haben. Eine hohe Beschwerderate ist für die E-Mail-Provider ein klares Indiz dafür, dass es sich eben nicht um ein seriöses Unternehmen, sondern um einen Spammer handelt – mit der Konsequenz, dass die Mailings blockiert werden. Das Gleiche gilt auch für eine hohe Bounce-Rate, die ebenfalls ein typisches Spam-Indiz ist.

Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit von E-Mail-Marketing aus? Zum Beispiel im Vergleich zu Social Media?

Laut einer Studie von Econsultancy erzielen Unternehmen mit E-Mail-Marketing den höchsten ROI – gefolgt von SEO und Content-Marketing. 73% bewerten den ROI von E-Mail als „exzellent“ oder „gut“.

Zum Vergleich: Der ROI von Social Media wurde lediglich von 39% als „exzellent“ oder „gut“ bewertet.

Wenn ein Unternehmen sich nun dazu entscheidet, seine Kommunikation um E-Mail-Marketing zu erweitern: Womit sollte man anfangen?

Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie direkt mit den operativen Tätigkeiten starten. Es werden Templates gebaut und Inhalte produziert. Dabei sollte am Anfang unbedingt die Strategie-Entwicklung stehen. Sie umfasst:

  • Was erreicht werden soll
  • Welche Kommunikationsanlässe es im Unternehmen gibt
  • Welche E-Mail-Formate für das Unternehmen zielführend sind
  • Wie man messen kann, ob die definierten Ziele erreicht werden
  • In welcher Tonalität mit Interessenten und Kunden kommuniziert werden soll
  • Wie Mitbewerber E-Mail-Marketing nutzen und was man daraus lernen kann
  • Welche Daten man in welchen Systemen benötigt, um E-Mail-Marketing zielführend einzusetzen
  • Welche rechtlichen Aspekte dabei beachtet werden müssen

Und einiges mehr.

Wenn ich mir über diese grundsätzlichen Fragen nicht im Klaren bin, verschenke ich Potenziale, da ich beispielsweise ausschließlich einen klassischen Newsletter umsetze und übersehe, dass automatisierte Kampagnen für meine Ziele und mein Geschäftsmodell zielführender wären.

Schlimmer noch: Im Worst Case entscheide ich mich für das falsche Versandsystem, da ich „operativ losgestolpert“ bin und die Anforderungen unzureichend definiert habe. Je nach Komplexitätsgrad kann eine spätere Migration des Versandsystems sehr aufwendig und auch teuer sein.

Diese und viele weitere Probleme kann ich vermeiden, indem ich noch vor allem anderen eine durchdachte Strategie entwickle. Dieser Teil wird deshalb in meinen Seminaren auch sehr ausführlich besprochen.

Wie sollten Unternehmen, die noch keine E-Mail-Liste haben, beginnen, sie aufzubauen?

Zunächst sollten sämtliche Touchpoints identifiziert werden, die für die Permissiongewinnung in Frage kommen. Neben der eigenen Website können das beispielsweise auch Außendiensttermine oder Events sein. Anschließend sollten Maßnahmen entwickelt werden, um von möglichst vielen Kontakten die E-Mail-Adresse zu erhalten – also beispielsweise Anmeldeformulare und Opt-In Boxen auf der Website, Permissionformulare für den Außendienst und Gewinnspiele auf Events.

Am Ende muss für den Empfänger immer etwas herausspringen.Nico Zorn

Wichtig ist, dabei immer die Vorteile für den Kunden deutlich zu kommunizieren: Was habe ich davon, wenn ich diesem Unternehmen meine E-Mail-Adresse anvertraue? Erhalte ich beispielsweise exklusive Angebote, hochwertigen Content oder bevorzugten Zugang zu Events.

Am Ende muss für den Empfänger immer etwas herausspringen.

Woran misst du die Qualität einer E-Mail-Liste?

Zum einen prüfe ich natürlich, ob ich mit der E-Mail-Liste die für mich relevanten Ziele erreiche, also etwa Traffic oder Sales generiere.

Zum anderen muss ich permanent analysieren, wie sich die Abmelderate und die Bouncerate entwickeln. Steigen diese Werte, scheint mit der Qualität der gewonnen Kontakte etwas nicht zu stimmen. Ein Problem könnte beispielsweise ein Gewinnspiel sein, dass zwar viele Adressen generiert, das Interesse meiner Kontakte an meinen Produkten aber nicht steigert.

Wenn eine E-Mail-Liste den direkten Zugang zu meiner Zielgruppe bedeutet, macht sie das natürlich zu einem sehr wertvollen Instrument. Wie schütze ich dieses Instrument?

Der Schutz der Daten wird leider in der Tat noch immer von vielen Unternehmen vernachlässigt. Alle involvierten Parteien und Mitarbeiter/innen, sowohl intern als auch extern, sollten entsprechend geschult werden und sich darüber im Klaren sein, dass sie mit sensiblen Daten arbeiten – der unverschlüsselte Versand von CSV-Listen ist zum Beispiel ein absolutes No Go.

Darüber hinaus gilt es, bei der Evaluierung eines E-Mail-Marketing-Service-Providers die Themen Datenschutz und Datensicherheit entsprechend hoch zu priorisieren:

  • Welche Anstrengungen unternimmt der jeweilige Dienstleister, um die Daten zu schützen?
  • Wird für den Login in das Versandsystem beispielsweise lediglich ein Benutzername und ein Passwort benötigt oder kann eine Zwei-Faktor-Authentifizierung aktiviert werden?
  • Kann der Zugriff auf bestimmte Länder beschränkt werden?
  • Wird der Datenschutz von externen Gutachtern, wie beispielsweise dem TÜV, geprüft?

Nehmen wir an, ich habe ein Unternehmen, das in einem hochumkämpften Markt Produkte verkauft. Wie kann ich mit E-Mail-Marketing aus der Masse herausstechen?

Zum einen gibt es auf der operativen Ebene viele Möglichkeiten, im Posteingang herauszustechen, beispielsweise mit cleveren Personalisierungstaktiken. Rossmann nutzt zum Beispiel das Geburtsdatum und den Namen meiner Tochter in der Betreffzeile, um hohe Öffnungsraten zu erzielen („Zwölfter Lebensmonat: Linda auf dem Weg zu den ersten Schritten“). Eltern werden bestätigen, dass der Name des eigenen Kindes die Aufmerksamkeit fast schon magisch anzieht.

Es sollte also nicht ausschließlich um den unmittelbaren Abverkauf gehen[…].Nico Zorn

Abgesehen von diesen „operativen Hacks“ solltest du dir die Frage stellen, wie du mit E-Mails die User Experience Deiner Kunden verbessern kannst. Es sollte also nicht ausschließlich um den unmittelbaren Abverkauf gehen, sondern um die Frage, wie du mit E-Mails den (Geschäfts-) Alltag Deiner Kunden ein wenig vereinfachen kannst.

Ein B2B-Unternehmen kann seine Kunden beispielsweise darüber informieren, dass eine Maschine bald wieder gewartet werden muss. Von einem Online-Shop bekomme ich die Information, dass mein Lieblingsprodukt jetzt wieder erhältlich ist. Und der Hersteller meines Fitnessarmbands schickt mir jede Woche eine persönliche Zusammenfassung meiner Aktivität – inklusive personalisierten Empfehlungen für meine Gesundheit.

Man kann nur steuern, was man misst. Welche Wege gibt es im E-Mail-Marketing zur Erfolgsmessung?

Viele Unternehmen betrachten primär die Öffnungs- und Klickraten, teilweise auch noch die Conversion-Rate. Diese Werte eignen sich aber nur in begrenztem Maß, um den Erfolg einer Kampagne zu beurteilen.

Wenn ich beispielsweise mit einem attraktiven Gutschein arbeite, werde ich in den meisten Fällen eine hohe Öffnungsrate, eine hohe Klickrate und auch eine gute Conversion-Rate erzielen – aber stimmt der Cost per Order noch oder habe ich mir den Umsatz zu teuer erkauft? Und welches Bild entwickeln eigentlich meine Kunden von meiner Marke, wenn ich immer häufiger mit Rabatten um mich werfe?

Entscheidend ist, dass ich für mein Geschäftsmodell und für die definierten Marketingziele die für mich relevanten Kennzahlen definiere.Nico Zorn

Neben den oben erwähnten Klassikern, also der Öffnungsrate, der Klickrate, der Conversion-Rate und dem CPO muss ich also weitere Kennzahlen hinzuziehen, um ein wirklich umfassendes Bild zu erhalten. Beispielsweise kann ich die Qualität der Adressen beurteilen, indem ich die Abmelderate und die Bouncerate beobachte.

Mit kleinen Umfragen kann ich außerdem die Kundenzufriedenheit ermitteln: Fühlen sich die Kunden vielleicht von zu vielen Mailings gestört oder möchten sie sogar mehr E-Mails erhalten?

Entscheidend ist, dass ich für mein Geschäftsmodell und für die definierten Marketingziele die für mich relevanten Kennzahlen definiere. Ein Online-Shop interessiert sich beispielsweise für die Conversion-Rate und den CPO, während ein Pharmaunternehmen primär das Ziel verfolgt, Ärzte über neue Präparate zu informieren. Eine klassische Conversion gibt es in diesem Fall nicht, ich kann mir aber beispielsweise die Öffnungs- und Klickrate anschauen und prüfen, wie häufig eine Studie heruntergeladen wurde.

Selbst dann, wenn ich auf der Landing Page lediglich mit einem Text über ein Thema informieren möchte, kann ich mir die Verweildauer auf der Landing Page anschauen.

Welche Frage wird dir im E-Mail-Marketing-Seminar am häufigsten gestellt und was ist deine Antwort darauf?

„Nico, wo kann ich E-Mail-Adressen kaufen?“. Im Seminar klärt sich dann aber recht schnell, dass das Kaufen von Adressen keine gute Idee ist und zu juristischen Problemen führt. Stattdessen sollte die eigene Reichweite genutzt werden, um von möglichst vielen Interessenten die E-Mail-Adresse und ein eindeutiges Opt-In einzusammeln. Im Seminar diskutieren wir ausführlich die verschiedenen Möglichkeiten der Adressgewinnung.

Es scheint, als hätten viele Unternehmer Angst vor dem Einsatz von E-Mail-Marketing, weil sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für komplex halten. Ist E-Mail-Marketing-Recht wirklich so komplex?

E-Mail-Marketing erfordert genau wie jeder andere Marketing-Kanal eine sorgfältige Planung und ein grundsätzliches Verständnis der juristischen Rahmenbedingungen. So stellt der Gesetzgeber gewisse Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Daten, mit denen wir im E-Mail-Marketing zwangsläufig arbeiten.

Wenn mir die juristischen Rahmenbedingungen im E-Mail-Marketing zu komplex sind, müsste ich also konsequenter Weise auch darauf verzichten, Kundendaten zu erheben und zu verarbeiten.Nico Zorn

Das Gleiche gilt aber auch ganz allgemein für den Umgang mit Kundendaten, die im CRM erfasst werden. Wenn mir die juristischen Rahmenbedingungen im E-Mail-Marketing zu komplex sind, müsste ich also konsequenter Weise auch darauf verzichten, Kundendaten zu erheben und zu verarbeiten.

Das wäre für das weitere Wachstum des Unternehmens aber nicht besonders dienlich.

Diskutiere mit uns das Thema:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert